ARM IPO als AI Top oder Bestätigung eines unelastischen Marktes
+ Bonus Video (Trading eines IPOs)
ARM, die renommierte britische Halbleiter- und Software-Designfirma, steht vor einem bedeutenden Meilenstein: Sie (genauer: SoftBank) plant, morgen ihren lang erwarteten Börsengang (IPO) durchzuführen, der voraussichtlich größte des Jahres 2023 sein wird.
Zurückblickend wurde ARM 1990 als Joint Venture zwischen Acorn Computers, Apple und VLSI Technology gegründet. Das Unternehmen hatte bereits einen beachtlichen Lauf an den Börsen, als es von 1998 bis 2016 an der Londoner Börse und der Nasdaq gelistet war. Dann kam 2016 eine bedeutende Veränderung, als SoftBank die Firma für $32 Milliarden erwarb. Es gab zwischenzeitlich einen Versuch von SoftBank, ARM an Nvidia für $40 Milliarden zu verkaufen. Dieser Deal scheiterte jedoch an regulatorischen Hürden und Widerstand von ARMs eigenen Kunden.
Jetzt, im Kontext des geplanten Börsengangs, gibt es einige Schlüsseldetails, die beachtet werden sollten:
Das Unternehmen hofft, bis zu $4,87 Milliarden durch das IPO zu generieren. Dies stellt eine Anpassung der ursprünglichen Erwartungen dar, da anfangs eine fast doppelte Summe erwartet wurde.
Ein entscheidender Faktor für diese Neubewertung war SoftBanks Entscheidung, den 25%igen Anteil von ARM, der zuvor vom Vision Fund gehalten wurde, zurückzukaufen. Das bedeutet, dass SoftBank nach dem Börsengang immer noch rund 90% von ARM besitzen wird.
Eine beeindruckende Gruppe von Technologiegiganten, darunter Apple, Nvidia und Google, hat Interesse bekundet, als Ankerinvestoren aufzutreten. Sie planen, Aktien im Wert von bis zu $735 Millionen zu erwerben.
Zudem hat ARM kürzlich einen langfristigen Vertrag mit Apple erweitert, was ihre starke Position und den Wert, den sie in der Branche darstellen, unterstreicht.
Trotz der herausragenden Position von ARM in der Halbleiterindustrie, insbesondere im Smartphone-Segment, ist es bemerkenswert, dass das Unternehmen unter den Verbrauchern nicht so bekannt ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ARM die Blueprints und Technologielizenzen für Mikroprozessoren verkauft, anstatt physische Chips herzustellen. Mit der neuen Führung unter CEO Rene Haas strebt das Unternehmen nun an, über den Smartphone-Markt hinauszugehen und in Bereiche wie Datenzentren und KI-Anwendungen zu expandieren.
Fundamentale Daten:
Marktkapitalisierung beim IPO: $50,27 Milliarden
Unternehmenswert (Enterprise Value): $49,02 Milliarden
Preis/Umsatz-Verhältnis (Price/Sales): 18,89
EV/Umsatz-Verhältnis (EV/Revenue): 18,42
EV/EBITDA-Verhältnis: 100,47
Ergebnis je Aktie (Earnings Per Share): $0,39
Verhältnis von Free Float zu ausstehenden Aktien (Float To Outstanding Shares Ratio): 9,31%
Vorgeschlagener IPO-Mittelpunkt Preis pro Aktie: $49,00
Netto Cashflow (Net Free Cash Flow): $778 Millionen
Free Cash Flow Rendite je Aktie: 1,55%
CapEx-Verhältnis: 10,97
Umsatzwachstumsrate: -2,46%
Obwohl das Fundament von ARM, wie aus den jüngst vorgelegten Daten hervorgeht, robust erscheint, zeigen sich dennoch einige Bewertungsherausforderungen. Insbesondere die sehr hohen EV/EBITDA- und Preis/Umsatz-Verhältnisse stechen heraus, besonders wenn man sie im Kontext eines moderaten Umsatzrückgangs von 2,46% betrachtet.
Andere Finanzkennzahlen jedoch vermitteln ein klareres Bild über die wirtschaftliche Lage und die Zukunftsperspektiven des Unternehmens:
3-Jahres-Earnings-CAGR: 16,2% (Dies bedeutet, dass das jährliche Gewinnwachstum über einen Zeitraum von drei Jahren durchschnittlich 16,2% betrug.)
Durchschnittliche Bruttomarge: 95%
Betriebsgewinnmarge: 25%
Nettogewinnmarge: 20%
Cashflow aus operativer Tätigkeit (OCF) Marge: 28%
Freier Cashflow (FCF) Marge: 23%
Liquiditätsgrad (Current ratio): 2,59 (Das bedeutet, dass das Unternehmen für jeden Dollar an kurzfristigen Verbindlichkeiten über 2,59 Dollar an kurzfristigen Vermögenswerten verfügt.)
Red Flags…
Der Vision Fund des japanischen Riesen Softbank verzeichnete für das Geschäftsjahr, das am 31. März endete, einen Verlust von 4,3 Billionen japanischen Yen (32 Milliarden US-Dollar). Dies steht im Vergleich zu einem Verlust von 2,55 Billionen Yen im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der aktuelle ARM Börsengang erscheint mehr wie ein verzweifelter Versuch, Kapital zu beschaffen und den AI-Hype auszunutzen.
Besonders auffällig bei diesem IPO ist die geringe Float von nur 9,31% (Verhältnis von Free Float zu ausstehenden Aktien, auch als "Float To Outstanding Shares Ratio" bezeichnet). Historisch betrachtet ist dies für einen IPO extrem niedrig. Softbank behält die übrigen Anteile. Masayoshi Son, der Gründer von SoftBank, hat seine Beteiligung an ARM auf unkonventionelle Weise genutzt und dafür einen bedeutenden persönlichen Kredit aufgenommen, wobei er seine Beteiligung an ARM als Sicherheit (collateral) angegeben hat.
Wegen dieser Situation wurden die Kreditgeber vorsichtig. Sie drängten ihn dazu, zumindest ein Zehntel des Unternehmens zu verkaufen. Ihr Ziel war es, im Falle eines Zahlungsausfalls oder eines starken Wertverlustes von ARM, Zugriff auf börsennotierte Aktien zu haben. Diese Aktien sind leicht verkäuflich und bieten den Kreditgebern daher mehr Liquidität und Sicherheit bei Problemen.
Zur Erinnerung: Softbanks Vision Fund hat im letzten Jahr 32 Milliarden Dollar Verlust gemacht…
Geringe Float als Fluch und Segen
Trotz der hohen Bewertung kann eine geringe Float zu sehr unelastischen Marktbedingungen führen. Die deutliche Überzeichnung des IPOs (10 fach überzeichnet) erzeugt bei vielen Tradern schon jetzt eine bullishe Stimmung. Doch eine solche Überzeichnung ist bei einer geringen Anzahl freihandelbarer Anteile nicht ungewöhnlich. Noch komplexer wird die Situation, wenn voraussichtlich eine Woche nach dem IPO der Optionshandel beginnt. Sollte die bullishe Stimmung weiter bestehen, könnten sich hier noch stärkere Bewegungen ergeben. Dazu kommt, dass ARM wegen seiner hohen Marktkapitalisierung (und Profitabilität) bald in einige Indizes aufgenommen wird, was zu weiterem Kaufdruck führt, um die Gewichtungsvorgaben verschiedener ETFs zu erfüllen. Darüber hinaus sind viele Anteile über einen längeren Zeitraum gebunden (vesting) (z. B. durch Insider, Investoren, Mitarbeiter) und dürfen nicht verkauft werden. ARM kann daher, (vorerst) unabhängig von seiner extremen Bewertung, allein aufgrund technischer Faktoren und seiner geringen Float sehr volatil werden und zu noch irrationaleren Bewertungen führen.
BONUS VIDEO
2020 habe ich den Palantir ($PLTR) IPO (bzw. Direct Listing) gehandelt und aufgenommen. Das Video liegt bereits seit 3 Jahren auf meiner Festplatte, und jetzt bietet sich die perfekte Gelegenheit, es zumindest einer kleinen Zielgruppe zur Verfügung zu stellen (als nicht gelistetes YouTube-Video). Im Video kommentiere ich das PLTR Listing, gehe auf das Level 2 Orderbuch ein, erläutere einfache Charttechnik und den VWAP. Nach dem recht unspektakulären Listing ist PLTR zunächst in eine Konsolidierung übergegangen. Als der Optionsmarkt verfügbar wurde, ist der Kurs von PLTR regelrecht explodiert.
Hier der Link zum Video:
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